Barockmusik aus Bayern
Georg Muffat (1653-1704): Suite g-moll „Sperantis Gaudia“ (aus: „Florilegium primum“)
Ouverture – Balet – Bourrée – Rondeau – Gavotte – Menuet I. Menuet II
Evaristo Felice dallʼAbaco (1678-1742): Concerto G-Dur „Con il Violoncell obligato“, op. 5 No. 11
Vivace – Grave soli e piano – Allegro assai
Heinrich Rühe, Violoncello
Johann Jacob Schnell: (1687-1754): Parthia I D-Dur (aus „Kleine angenehme Tafel-Music“, op. 7)
Allegro – Cantabile – Menuet I. Menuet II
Benedikt Anton Aufschnaiter (1665-1742): Sonata S. Joannis (aus: „Dulcis fidium harmonia“, op. 4)
Pars I – Pars II
Evaristo Felice dallʼAbaco (1678-1742): Concerto C-Dur, op. 5 No. 5
Allegro.Grave.Allegro – Grave – Allegro assai – Rondeau: Allegro
Brigitte Heeke, Oboe, Christel Vockelmann, Violine
Rupert Ignaz Mayr (1642-1712): Suite No. 2 D-Dur (aus: „Pythagorische Schmids-Füncklein“)
Sonatina – Spagniolet – Courante – Menuet – Bourrée – Retirata – Gigue
Bayern
ist ein relativer Begriff: Zwar waren alle Komponisten dieses Konzertes
an Wirkungsstätten tätig, die heute auf bayerischem Territorium liegen,
aber nur eine davon, nämlich München, gehörte seinerzeit zum damaligen
Kurfürstentum Bayern. Alle anderen – Passau, Bamberg, Freising – waren
eigenständige Fürstbistümer und wurden erst im Laufe der napoleonischen
Neuordnung Europas am Anfang des 19. Jahrhunderts Teil des zum
Königreich aufgewerteten Bayern – aber da war es mit der Barockmusik
natürlich schon lange vorbei…
Georg Muffat
ist vielleicht der bekannteste unter den hier vertretenen Komponisten.
In Wechselwirkung mit Arcangelo Corelli hat er einen wichtigen Einfluss
auf die Entwicklung des Concerto grosso gehabt und außerdem maßgeblich
dazu beigetragen, die Orchestersuite nach französischem Vorbild im
deutschsprachigen Raum populär zu machen. Deren Muster – eine Ouvertüre
mit langsamer Einleitung und schnellem fugierten Mittelteil, der mehrere
Tanzsätze folgen – ist auch im vorliegenden Fall mustergültig
verwirklicht.
Der gebürtige Veroneser Evaristo Felice dall’Abaco
ist viel herumgekommen: 1704 gelangt er an den Hof in München, doch
schon bald darauf befindet er sich in Belgien und Frankreich, wohin es
seinen Dienstherren, den bayerischen Kurfürsten, in den Wirren des
Spanischen Erbfolgekrieges verschlägt. 1715, inzwischen
Hofkapellmeister, kehrt dall’Abaco wieder nach München zurück, wo er bis
zu seinem Tode bleibt. Aus seiner Sammlung op. 5 haben wir zwei
Concerti ausgewählt: Bei dem ersten handelt es sich um ein veritables
Cellokonzert, bei dem zweiten ist die Solistenrolle für die Oboe
deutlich zurückhaltender ausgeprägt.
Johann Jacob Schnell
stand sein ganzes Musikerleben in den Diensten des Bischofs von Bamberg
(und ist als Oberfranke damit wohl nur sehr metaphorisch als Bayer zu
bezeichnen…). Seine veröffentlichten Kompositionen wenden sich zumeist
an den lukrativen Abnehmerkreis musizierender Dilettanten, auf die auch
die kleine Besetzung zugeschnitten ist. „Typisch barock“ ist der
Mehrzweckcharakter der Stücke, den der Komponist eigens vermerkt hat,
indem er etwa ihre Verwendung als Epistelsonaten für den Gottesdienst,
d.h. als Zwischenmusik nach der Lesung, vorschlägt.
Bevorzugt für den kirchlichen Gebrauch komponierte auch Benedict Anton Aufschnaiter
– und handelt sich damit eine Rüge seines fürstbischöflichen (!)
Arbeitgebers ein, er würde zu wenig weltliche Musik schreiben.
Entsprechend haben wir auch ein Stück mit geistlichem Hintergrund
ausgewählt, nämlich eine Sonate, die dem Evangelisten Johannes gewidmet
ist. Entstanden ist dieses Werk vermutlich in Wien, wo Aufschnaiter
wirkte, bevor er in Passau Muffats Nachfolger wurde.
Der einzige gebürtige Bayer unseres Programms ist Rupert Ignaz Mayr
(sein Geburtsort Schärding liegt heute allerdings in Österreich…). Er
war zunächst zeitgleich mit dall’Abaco in München tätig, zog es aber
1706 vor, die Anstellung zu wechseln und Hofkapellmeister beim Bischof
von Freising zu werden. Die Suite D-Dur aus den „Pythagorische
Schmids-Füncklein“ scheint es aber gleich nach Spanien zu ziehen –
zumindest lassen das „Spagniolet“ und vielleicht auch der mit „Retirata“
überschriebene Satz darauf schließen, den wir als den Vorbeimarsch
einer Wachablösung (wörtlich „Rückzug“ oder „Abzug“) interpretieren. gmk